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Christoph A. Müller

Lieber Kurzfassung?

Ich bin 1939 geboren und in Basel aufgewachsen mit französischer Muttersprache (meine Mutter stammte aus der französischen Schweiz), baseldeutscher Umgangssprache und hochdeutscher Schulsprache. Nach acht Jahren Rudolf-Steiner-Schule besuchte ich fünf Jahre das Humanistische Gymnasium in Basel – damals noch eines der letzten klassischen Gymnasien im deutschen Sprachraum mit täglichen Latein- und Altgriechisch-Lektionen und nur männlichen Studiosi.

 

Nach der Matura (Abitur in der Schweiz) wollte ich Arzt werden, wechselte nach drei Semestern medizinischer Propädeutik jedoch ernüchtert meine Studienrichtung zu Philosophie, Psychologie und Soziologie, wo ich mehr Antworten auf die Lebensfragen zu finden hoffte, die mich beschäftigten. Erkenntnistheoretische Fragen faszinierten mich ebenso wie die damals brisante Auseinandersetzung zwischen Marxismus und Existenzialismus. Meinen Lebensunterhalt verdiente ich mit einem Teilzeitjob bei einer Versicherung und später in der Personaladministration eines Chemieunternehmens. 

 

Gleichzeitig engagierte ich mich in der Redaktion des universitären Studentenblattes und provozierte – ziemlich ahnungslos – in der heilen baslerischen Uni-Welt einen kleinen Skandal mit einem Artikel über die Rolle von Papst Pius XII. im Zweiten Weltkrieg. Ein paar Wochen später erfuhr ich, dass eben dieses Thema in Berlin für Aufruhr sorgte mit der Uraufführung von Rolf Hochhuths «Stellvertreter». Das war im Februar 1963. Ich war also in guter Gesellschaft, aber das hatte sich in Basel noch nicht herumgesprochen.


Als eine Gruppe von Freunden gründeten wir daraufhin unsere eigene Zeitschrift, in der wir – von keiner Obrigkeit behindert – unsere Sicht der Welt und der Gesellschaft verkünden konnten. Ein typisches Unterfangen der sechziger Jahre, würde man heute sagen. Aber wir hatten damals keine Ahnung, dass wir mit unseren Ausbrüchen und Aufbrüchen Teil einer internationalen Bewegung waren.

 

Von 1970 bis 1975 war ich Inlandredaktor am «Badener Tagblatt», das sich damals als kleine Regionalzeitung im Windschatten Zürichs einer gewissen Narrenfreiheit erfreute. Dank seinem engagierten, liberalen Verleger Otto Wanner (dem Vater des heutigen AZ-Medien-Verlegers Peter Wanner) gehörte die Zeitung zu den wenigen kritischen Stimmen im damals noch nicht ausgedünnten schweizerischen Blätterwald. Nach ein paar weiteren Jahren als Freelancer übernahm ich einen Redaktionsjob bei der Wochenzeitung «Brückenbauer» (heute «Migros Magazin»), wo ich aktuelle und gesellschaftliche Themen betreute. 

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Ende der siebziger Jahre lernte ich die Psychologie von Carl Rogers kennen und nahm an mehreren internationalen Workshops in den USA und in Europa teil, die von Carl Rogers und seiner Crew vom «Center for Studies of the Person» in La Jolla, Kalifornien, angeboten wurden. Die Intensität menschlicher Begegnungen, die ich in Encountergruppen oder bei anderen personenzentrierten Meetings erlebte, berührte mich tief und hat mein Menschenbild nachhaltig beeinflusst. Bereichernde Impulse erhielt ich in jenen Jahren durch Begegnungen mit den Hamburger Psychotherapeuten Anne-Marie und Reinhard Tausch, mit dem amerikanischen Psychologen Thomas Gordon (Autor des Bestsellers «Familienkonferenz») und der Schweizer Ärztin Elisabeth Kübler-Ross, die damals im Süden Kaliforniens wohnte. 

Diese bewegenden Erfahrungen veranlassten mich Anfang der achtziger Jahre zu einem Berufswechsel. Ich reduzierte meine journalistischen Aktivitäten und wirkte fast zehn Jahre am Aufbau eines Selbsthilfezentrums mit, das zwei Sozialarbeiterinnen in Basel gegründet hatten. Hier lernte ich, den Blick nach innen zu richten, seelisches Leiden besser wahrzunehmen und nach Wegen zu suchen, um psychisch belasteten Menschen zu neuen Perspektiven zu verhelfen. Die Sicht von Betroffenen schärfte meinen Blick für die Unzulänglichkeiten einer sozialpsychiatrischen Versorgung, die sich oftmals mehr nach den Bedürfnissen der Institutionen als nach denjenigen ihrer Klientinnen ausrichtet.

Eine erneute Kehrtwende brachte mich in den neunziger Jahren zurück zum Schreiben und zur Informationsarbeit. Zusammen mit einer Kollegin hatten wir schon früher eine journalistische Arbeitsgemeinschaft gegründet. Neben journalistischen Aufträgen übernahmen wir bald auch Kommunikationsaufgaben und entwickelten uns allmählich zu einer kleinen Kommunikationsagentur, die sich fast ausschliesslich im Nonprofit-Bereich betätigte. Schulen, Krankenhäuser, Verbände, Aktionsgemeinschaften und Freiberuflerinnen – daraus bestand unser Kundenkreis, und damit setzten wir uns auch beharrlich von der lukrativeren kommerziellen Werbung ab. 

Nach meiner Pensionierung, die in bereits fortgeschrittenem Ruhestandsalter stattfand, übertrug mir meine damalige Partnerin die Leitung eines Bed & Breakfasts, das sie ein paar Jahre zuvor aufgebaut hatte. So führte ich schliesslich von 2012 bis 2019 ein kleines Hotel und freute mich an unzähligen flüchtigen oder tieferen Begegnungen mit Gästen von nah und fern. 

Zu meinem Privatleben möchte ich hier nur anmerken, dass ich vier Kinder habe, die mir viel bedeuten. Sie und ihre Mütter waren oft wichtiger als mein Berufsleben und haben mein Leben mehr als alles andere bereichert und geprägt. Seit mehr als 30 Jahren sind Taiji und später auch Qigong zu bewegenden Begleitern geworden, die mich nicht nur fit halten, sondern auch nähren und immer wieder von neuem inspirieren.


Basel, im Winter 2020/21.

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